Der Traum des Bischofs Lányi

Dr. Josef von Lanyi, Bischof in Großwardein, war Lehrer der ungarischen Sprache beim seligen (ermordeten) Erzherzog Franz Ferdinand und erfreute sich der besonderen Gunst Sr. Kais. Hoheit. Am 28. Juni 1914 hatte nun der hochwürdige Bischof einen höchst merkwürdigen Traum. P. Eduard Lanyi S. J., Professor am Pius-Internat zu Fünfkirchen und Bruder des hochw. Bischofs von Lanyi, hatte die Güte, uns eine wörtliche Abschrift von einem eigenhändigen Schreiben, in welchem der Bischof den Traum genau erzählt, zu besorgen. Dieses bischöfl. Schreiben lautet:

Text des Trauminhalts

Zitternd und in Tränen aufgelöst sprang ich aus dem Bett, sah auf die Uhr, die 1/2 4 Uhr zeigte. Ich eilte sofort zum Schreibfisch, schrieb nieder, was ich im Traume gelesen und gesehen. Beim Niederschreiben behielt ich sogar die Form einiger Buchstaben, wie sie vom Erzherzog niedergeschrieben waren, bei. — Mein Diener trat denselben Morgen um 3/4 6 Uhr in mein Arbeitszimmer ein, sah mich blaß dasitzen und den Rosenkranz beten. Er fragte mich, ob ich krank sei. Ich sagte ihm: „Rufen Sie gleich meine Mutter und den Gast, ich will gleich die hl. Messe für die Hoheiten lesen; denn ich hatte einen schrecklichen Traum.“ Mutter und Gast kamen um 1/4 7 Uhr herbei. Ich erzählte ihr in Anwesenheit des Gastes und des neugierigen Dieners den Traum. Dann ging ich mit ihnen in die Hauskapelle für die Hoheiten zelebrieren. Der ganze Tag verging in Angst und Bangen, bis mir ein Telegramm aus Wien um 1/2 4 Uhr nachmittags die schreckliche Nachricht brachte, daß die Hoheiten in Sarajewo ermordet wurden. R. I. P.
— So lautet wörtlich das Schreiben des hochw. Herrn Bischofs Dr. Lanyi. Daß der Traum Tatsache ist, können wir vernünftigerweise nicht bezweifeln.

Auszugsweise aus: Psychische Studien. XLV. Jahrg. 4. Heft. (April 1918.)

 


                

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