Kurzbericht  über  den  Vortrag

von  Albrecht
Götz von Olenhusen

"Karl May und der Spiritismus

Weltanschauung - Weltbewältigung - Wissenschaft"

                    
   
Der Referent hat - nebst einer kurze Darstellung der Entwicklung des Spiritismus im Königreich Sachsen - klar nachgewiesen, daß Karl May durch viele Jahre hindurch engagierter Spiritist gewesen ist. Er hat an Sitzungen mit dem damals berühmten "Blumenmedium" Anna Rothe teilgenommen, der man später wegen Betruges den Prozeß gemacht hat - eine cause célèbre der damaligen Zeit -, und auch seine (spätere zweite) Frau Klara hat selbst im Familienzirkel als Medium gewirkt. Seine völlig unkritische spiritistische Überzeugung spiegelt sich nicht zuletzt auch in den einschlägigen Beständen seiner Bibliothek wieder, welche nicht nur erhalten ist, sondern von der auch ein Verzeichnis publiziert ist. Kein einziges skeptisches oder kritisches Werk ist darin gelistet: man bekommt somit nicht den Eindruck, daß der Inhaber dieser Bibliothek sich um ein vorurteilsloses Abwägen von pro und contra bemüht hat, sondern er tritt uns durchaus als ein Gläubiger entgegen. Vieles von diesem spiritistischen Weltbild ist auch - unterschwellig, aber erkennbar - in sein Werk (vor allem in sein Spätwerk) eingeflossen. In seiner späteren Selbstdarstellung, insbesondere im Zusammenhang mit diversen Prozessen, versucht er, sich weitgehend vom Spiritismus zu distanzieren und seine Beschäftigung damit als bloße Unterhaltung abzuwerten, ohne zu bedenken, wie unglaubwürdig es klingt, daß jemand jahrelang nur zum Zeitvertreib in einem Zirkel gesessen sei sollte. Ein Grund für Karl Mays Versuch, sein früheres spiritistisches Interesse und Bekenntnis abzuleugnen, liegt wohl im gespannten Verhältnis der katholischen Kirche gegenüber der spiritistischen Konkurrenz, die für die Kirche natürlich "Anathema" war. Der - nota bene protestantische - Schriftsteller May hatte freilich ein vitales ökonomisches Interesse an der Unterstützung durch katholische Kreise. Freilich war der Grund für Mays Leugnen wohl mehrfach determiniert: zum einen mußte er, der - noch einmal sei dies betont - in Wirklichkeit ein Protestant war, sich als - immer noch - katholischer und gläubiger Autor hinstellend seine Distanz zum Spiritismus betonen, zum anderen war inzwischen doch die allgemeine Zeitgeiststimmung eher kritisch geworden, das "Blumenmedium" Anna Rothe "entlarvt" etc., der Spiritismus in Kreisen, auf die es May ankam, eher kompromittiert, und damit auch er selbst durch öffentlich Angriffe in dieser Hinsicht. Vor allem aber galt: Klara, das seinerzeitige Medium und nunmehr seine zweite Frau, mußte - als Zeugin - vor den Vorwürfen des Lebius und anderer Zeugen in all diesen Prozessen bewahrt werden, gleichzeitig aber (und hier wird eben die Widersprüchlichkeit besonders deutlich) - seine Ex-Frau Emma als die unglaubwürdige Spiritistin - im Sinne eines dämonischen besessenen Weibsteufels - hingestellt werden.

 

In der Diskussion , die wie immer, sehr lebhaft war, kamen dann auch die beiden anderen Aspekte zum Tragen, die bei einer Beschäftigung mit Karl May vom parapsychologischen Gesichtspunkt her von Interesse sein mögen, nämlich sein Schaffensprozeß und die Art seiner Informationsgewinnung. Der Referent hat Belegstellen dafür zitiert, daß Mays Schreiben in einem Zustand einer gewissen Depersonalisation vor sich gegangen sein dürfte, also zumindest eine automatistische Komponente gehabt hat, was aber bei kreativen Persönlichkeiten durchaus nicht ungewöhnlich ist (schon ausgangs des 19. Jhdts sind Medialität und Kreativität sehr treffend als "Schwestern" bezeichnet worden). Hingegen ist ein paranormaler Informationserwerb (etwa in der Art von OOB oder Remote Viewing) auszuschließen. Wie von einem gut informierten Diskutanten an einem konkreten Beispiel aufgezeigt worden ist, sind Mays Schilderungen von Gegenden, über die er keine Information hat nachlesen können, unzutreffend. Hier muß man sich - wieder einmal! - vor Wunschdenken im Sinne von Projektionen und magischen Überhöhungen hüten.

Hinweis: unser Referent hat freundlicherweise eine (erweiterte) schriftliche Publikation seines hochinteressanten und durch die gezeigten seltenen Bilder (die in meiner Zusammenfassung leider wegbleiben haben müssen) noch aufgewerteten Vortrages in Aussicht genommen. Nach Erscheinen werde ich hier einen entsprechenden Link setzen.

Bericht
aus
den KMG-Nachrichten (Vierteljahresmagazin der Karl-May-Gesellschaft), Nr. 157, 3. Quartal/ September 2008 (p. 44-45)
        


                

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