Kurzbericht  über  den  Vortrag

von 
Ernst  Sen
kowski

" Zufall, Schicksal und Paranormale Phänomene -

Deutung und Bedeutung"

                    
Vorbemerkung:

Wieder einmal handelt es sich nicht im eigentlichen Sinn um einen Kurzbericht aus meiner Feder (oder eher Tastatur), sondern der Referent war so liebenswürdig, unserer Gesellschaft sein Manuskript im Volltext zur Verfügung zu stellen.

Es wird darauf hingewiesen, daß ein ganz ähnlicher Text unter demselben Titel in der vom Referenten herausgegebenen Zeitschrift "Transkommunikation" (Vol. IV, No.4, 2002), übrigens dem letzten Heft dieser Zeitschrift, erschienen ist.

           


Einführung

Verehrte Anwesende, ich möchte Ihnen heute einen Einblick in eine komplexe Thematik vermitteln, die relativ selten angesprochen wird. Wer von uns hätte nicht schon das merkwürdige und unerklärliche Zusammentreffen von Personen, Namen, Zahlen, Daten, die überraschende Wiederkehr verlorener Gegenstände oder die Häufung wichtiger Ereignisse an bestimmten Tagen über längere Zeiträume hinweg erlebt? In den meisten Fällen nehmen wir solche Erfahrungen leicht verwundert kurz zur Kenntnis und gehen zur Tagesordnung über. Die eingehendere Betrachtung vermag aber zum Nachdenken anzuregen und - im Verein mit den Paraphänomenen - unsere Weitsicht zu verändern. Ich stütze den Inhalt meines Vortrages im wesentlichen auf die Arbeiten von acht Gewährsleuten und beginne mit drei Definitionen:

Zufall - gemäß Duden ein scheinbar sinnloses Vorkommnis - ist hier nicht gemeint. Es geht vielmehr um das Eintreten unbeabsichtigter, unvorhersehbarer Ereignisse oder um das unerwartete Zusammentreffen zweier Ereignisse bzw. Ereignisfolgen, zwischen denen keine gesetzesartige Verbindung erkennbar ist. Solche Ereignisse erscheinen uns entweder als ursachlos, weil wir die Ursachen nicht kennen, oder weil es im objektiven Sinne keine Ursachen gibt. Der absolute Zufall würde die Kausalität außer Kraft setzen.

Der Begriff Zufall spielt eine wichtige Rolle in der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ereignisfolgen können bestimmte Regelmäßigkeiten aufweisen, die sich als Verteilungen zeigen. In Teilbereichen der Physik hat sich die Wahrscheinlichkeit gegen die klassischen deterministischen Auffassungen durchgesetzt. Nach einigen biologischen Theorien ist die Evolution des Lebens notwendig, aber die einzelnen Prozesse scheinen sich zufällig zu verwirklichen. Evolution wird dann als Ineinandergreifen von Notwendigkeit und Zufall beschrieben. In der Medizin - insbesondere in der Psychologie - sind Aussagen über Gesamtheiten für den Einzelfall nahezu wortlos. Schließlich wird in der Parapsychologie nach wie vor die Zuverlässigkeit statistischer Daten, im Hinblick auf die Existenz der Phänomene diskutiert.

Hier ist ein kleines Beispiel für das recht unwahrscheinliche Auftreten von Daten:
B 1 Drei meiner Enkelkinder sind am 14. 1. geboren, davon zwei im selben Jahr.

Schicksal - nach Duden: gewöhnlich im Sinn leidvoller Schickung oder als Ersatz der "göttlichen Vorsehung".

Der Zufall kann in manchen Fällen als Vorform des Schicksals erscheinen, als Vorherbestimmung des Lebensweges eines Menschen oder der Geschichte eines Volkes durch (angenommene) Mächte verschiedenster Art, in der Antike etwa als Gottheiten personifiziert oder als Weltvernunft oder Naturnotwendigkeit gedacht.

Als schicksalhaft läßt sich ein tragisches Beispiel aus dem Frühjahr 1919 interpretieren:

B 2 Endlose Ritte durch das Baltikum in Kälte, Eis, Schnee. Ein Fähnrich: "Das Leben für eine Zigarette!" Der Rittmeister erteilt ihm einen Verweis. Der Junge dagegen: "Was ist das Leben schon wert?" Kaum gesprochen, starrt er wie gebannt auf eine helle Stelle im Schnee, springt ab, hebt lachend ein goldenes Zigarettenetui empor, öffnet es und findet eine Zigarette. Der Rittmeister: "Haben Sie den Mut, die jetzt zu rauchen?" Trotziges Nicken. Der Gefragte reißt ein Streichholz an. Ein Schuß. Die Zigarette, deren ersten Rauch er gierig einsog, noch zwischen den Lippen, sinkt der Fähnrich tot in den Schnee. (Sch 153).

Zwischen Zufall und Schicksal können wir das englische chance einordnen, das mehrere Bedeutungen besitzt, nämlich Zufall, Glück Aussichten, Chancen, Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten und Risiko.

B 3 Zu "chance" ein lustiges Beispiel:

Zwei englische Autofahrer in ihren Fahrzeugen bauen einen Unfall. Sie tauschen ihre Daten aus und stellen überrascht fest: sie haben den gleichen Vornamen Frederic und den gleichen Nachnamen Chance.

Paranormale Phänomene umfassen die außersinnliche Fernwahrnehmung und die mentale Beeinflussung oder Kopplung materieller Strukturen oder Prozesse ohne erkennbare Energieübertragung:

Dazu ein außergewöhnliches Ereignis: 

B 4 Ein neugeborenes Kind hatte ein Muttermal, das genau einem Mal der Mutter entsprach. Als die Mutter ihr Mal operativ entfernen ließ, verschwand das Mal am Körper des Kindes. (Seite 157).
        

Pico della Mirandola: Einheit

Vorstellungen über die Einheit und Vielheit im Leben sind in der Geschichte immer wieder formuliert worden. Der griechische Philosoph Hippokrates sprach von der Sympathie zwischen allen Dingen. Die Pythagoräer glaubten an die Harmonie der Sphären, die auch von Kepler aufgegriffen wurde. Der Humanist Pico della Mirandola schrieb Ende des 15. Jhts.:

Erstens gibt es eine Einheit der Dinge, durch die jedes Ding eins mit sich selbst ist, aus sich selbst besteht und mit sich selbst zusammenhängt. Zweitens gibt es eine Einheit, durch die ein Geschöpf mit allen anderen vereint ist, und alle Teile der Welt ergeben eine Welt.
         

Charles Fort:

Zur Gegenläufigkeit von Zufall und Einheit hat das enfant terrible Charles Fort ein paar bemerkenswerte Gedanken zu Papier gebracht. Hier zwei Absätze aus seinem Werk "Wilde Talente":

In der Erklärung, etwas sei durch Zufall geschehen, steckt viel Denkfaulheit und Hilflosigkeit. Diese Erklärung ist eine Folge der instinktiven Furcht, ein wissenschaftliches Dogma könnte in Gefahr geraten.

Es gibt eine Sichtweise, mit der man aufzeigen oder mehr oder weniger nachweisen kann, daß es so etwas wie Zufall nicht gibt - jedenfalls nicht, wenn man den Dingen auf den Grund geht. Von Zufall reden heißt ja, irrigerweise anzunehmen, daß zwischen verschiedenen Ereignissen keine Verbindung besteht. Wer aber akzeptiert, daß auf einer tieferen Ebene alles eins ist, der akzeptiert auch, daß es so etwas wie Beziehungslosigkeit unter Umständen nicht gibt.
     

Arthur Schopenhauer: Die Weit als Wille und Vorstellung

Der große Philosoph des 19. Jhts., Arthur Schopenhauer, beschrieb in seinem Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" den Willen, den Trieb, den Lebensdrang als letzten Grund aller Erscheinungen. In vier kaum bekannten Schriften behandelte er paranormale Erlebnisse als bedeutungsvoll für die Welterkenntnis. Er selbst hatte einschlägige Erfahrungen. Hier ein Beispiel von Vorschau:

B 5: Schopenhauer schüttete versehentlich den Inhalt eines Tintenfasses über einen Brief. Ein Teil floß auf den Boden, und die zum Aufwischen gerufene Magd erzählt ihm, letzte Nacht habe ihr geträumt, sie wische eben an dieser Stelle Tinte auf. Eine zweite Magd, nicht Zeugin der Unterredung, bestätigte, daß die erste ihr beim Aufwachen diesen Traum erzählt hatte. (Bo 444).

In der "Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksal des Einzelnen" (1851) vermutet Schopenhauer, daß das "Zufällige" des sogenannten Zufalls nur bei äußerer Betrachtung auffällt. Dagegen würde die innere Betrachtung zeigen, daß eine tiefere Kausalität im Lebensgrund, im Willen liegt. In ihm sei die Harmonie aller künftigen Ereignisse im voraus gesetzt, nichts ist absolut zufällig, vielmehr tritt alles notwendig ein, auch das Zufälligste ist nur ein auf entfernterem Wege herangekommenes Notwendiges.

Unzählige Ketten von Ursachen und Wirkungen schreiten in der Zeit nebeneinander im Raum fort, vielfach miteinander verflochten und letztlich aus einer gemeinsamen Ursache entsprungen. Sie bilden ein großes Netz, das den Weltlauf ausmacht. Jenes Schicksal, welches unseren wirklichen Lebenslauf beherrscht, geht zuletzt von jenem Willen aus, der unser eigener ist, der aber von einer Region aus wirkt, die weit über unser vorstellendes individuelles Bewußtsein hinausliegt. Nach Schopenhauer ist

die physikalische Kausalität nur einer der Herrscher über die Welt; der andere ist eine metaphysische Wesenheit, eine Art universales Bewußtsein, zu dem sich das individuelle Bewußtsein verhält wie der Traum zum Wachen.
         

Paul Kammerer: Serialität

Im Jahre 1919 veröffentlichte Ihr österreichischer Landsmann, der Biologe Paul Kammerer das für die Bewertung von Zufall, Schicksal und paranormale Erscheinungen wichtige, kausalitätsunabhängige Prinzip der Serialität unter dem Titel "Das Gesetz der Serie". Er begründete dieses Prinzip mit den Ergebnissen seiner langjährigen sorgfältigen Beobachtungen von auffälligen unerklärlichen Koinzidenzen. Einstein meinte dazu: "Originell und durchaus nicht absurd". Kammerer:

Die Serie stellt sich als eine gesetzmäßige Wiederholung gleicher oder ähnlicher Dinge und Ereignisse dar, eine Häufung in der Zeit in Form zusammenhängender Serien oder im Raum als gleichzeitige Einzelfälle, die nicht durch dieselbe, gemeinsam fortwirkende Ursache verknüpft worden sein können.

Es gibt dazu ein unglaubliches Beispiel:

B 6: 1918 wurde ein amerikanischer Hauptmann in Flandern vom Blitz getroffen, vom Pferd geworfen und blieb jahrelang gelähmt. Zur Genesung ging er in seine Heimat Vancouver, wo ihn ein zweiter Blitz traf, diesmal, ohne ihm Schaden zu tun. 1930 bei einem Spaziergang ereilte ihn dasselbe Schicksal ein drittes Mal, er wurde dieses Mal schwer gelähmt und starb 1934 an den Folgen. Im selben Jahr zuckte der Blitz auf sein Grabmal nieder und zerstörte es. (Scholz 165).

Kammerer führte getrennt auftretende, zusammenpassende Zahlen, Namen, Situationen auf und erkannte eine wellenförmige Fortpflanzung der zeitlichen Serien als zyklische Vorgänge entsprechend früheren Theorien über Periodizitäten. Über die Wirkungsweise des "Gesetzes" konnte oder wollte er nichts sagen, da es außerhalb der Kausalität stehe, er lehnte aber den Einfluß psychischer Tiefenbereiche als Erklärung ab. Zitat:

Wir haben uns bei unseren Beobachtungen nicht um das "Warum" gekümmert. Wir haben hingenommen, daß die Summe der Tatsachen jeden "Zufall" ausschließt oder den Zufall derart zur Regel macht, daß sein Begriff aufgehoben erscheint. Wir gelangen damit zu unserem zentralen Gedanken: Gleichzeitig mit der Kausalität ist im Universum ein akausales Prinzip wirksam. Dieses Prinzip wirkt selektiv auf Form und Funktion ein, um verwandte Konfigurationen in Raum und Zeit zusammenzufügen; und es hängt mit Verwandtschaft und Ähnlichkeit zusammen.

Bereits hier begegnen wir dem vielfach überlieferten Gedanken der "Anziehungskraft des Bezüglichen", den Wilhelm von Scholz und Arthur Koestler später akzentuieren werden.
        

C. G. Jung und Wolfgang Pauli: Synchronizität

Kammerers Prinzip der Serialität zählt zu den bedeutendsten Vorläufern des Gedankens der Synchronizität von Jung und Pauli, dem wir uns nun zuwenden.

Der bekannte Psychologe C. G. Jung führte in seinen 20er Jahren regelmäßig spiritistische Sitzungen durch. Zur Erklärung lehnte er die Geisterhypothese ab und schlug 1919 eine rein psychologische Deutung vor. Nachdem er - ohne Verwarnung seitens des Gastgebers - in einem englischen Spukhaus von einem eindrucksvollen Gespenst erschreckt worden war, zeigte er sich 1947 überzeugt, daß derartige Phänomene den Bereich der gewöhnlichen außersinnlichen Wahrnehmung transzendieren. Zur ihrer Einordnung in unsere Weltanschauung sei ein radikalerer als der rein psychologische Ansatz notwendig: ein solcher wäre die Annahme eines kollektiven archetypischen Unbewußten, an dem die gesamte Menschheit potentiell teilhat.

In Zusammenarbeit mit dem Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli führte Jung den Begriff der Synchronizität ein als Bezeichnung für ein Prinzip, das die sinnvolle, nichtkausale Verbindung von Ereignissen erklären soll, die "sinngemäße Koinzidenz" zweier oder mehrerer Ereignisse. Zitat:

Ein unerwarteter Inhalt, der sich unmittelbar oder mittelbar auf ein objektives äußeres Erlebnis bezieht, koinzidiert mit einem gewöhnlichen psychischen Zustand. Dieses nenne ich Synchronizität. - Die Parallelereignisse lassen keinen gegenseitigen Kausalzusammenhang erkennen, weshalb sie einen Zufallscharakter tragen. Die einzige erkenn- und feststellbare Brücke zwischen ihnen ist der gemeinsame Sinn oder eine Gleichartigkeit.

Synchronizität gründet auf Erfahrbarkeit und weist darauf hin, daß entweder die Psyche räumlich nicht lokalisierbar ist, oder daß Raum und Zeit psychisch relativ sind.

B 7 Eines der bekannten synchronistischen Ereignisse in Jungs Leben mag zur Bildung seiner Anschauungen beigetragen haben:

Eine Patientin hatte im Lauf der Behandlung einen Traum, in dem sie einen goldenen Skarabäus - einen Käfer des Mittelmeerraums, in Ägypten Symbol des Sonnengottes - zum Geschenk erhielt. Während sie Jung ihren Traum erzählte, saß dieser mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster, als er plötzlich ein Geräusch hörte. Er drehte sich um und sah ein Insekt, das von außen gegen das Fenster flog. Er öffnete und fing einen Rosenkäfer, den nächsten in unseren Breiten vorkommenden Verwandten des Skarabäus. (Bonin 444).

Wie Kammerer und Jung glaubte Wolfgang Pauli an akausale, nicht-physikalische Faktoren, die in der Natur eine Rolle spielen. Nach seiner Meinung kann die Physik nicht die ganze Welt verstehen, aber sie strebt zu einem einheitlichen Gesamtweltbild, in dem die Naturwissenschaften ein Teil sind. Zitat:

Augenfällige Koinzidenzen und parapsychologische Phänomene sind sichtbare Spuren der nicht aufzuspürenden akausalen Prinzipien im Universum.

Interessant ist Arthur Koestlers kritische Reaktion. Er glaubte, daß Jung und Pauli in ihrer Abhandlung "Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge" ähnlich wie Kammerer in eine logische Falle liefen, indem sie ein akausales Prinzip postulierten und dieses dann mit pseudo-kausalen Begriffen erklärten. Dennoch bleibt festzuhalten, daß erstmalig ein Psychologe und ein Physiker gemeinsam die Hypothese eines im Kosmos wirkenden akausalen Faktors zur Diskussion stellten.
           

Wilhelm von Scholz: Die Anziehungskraft des Bezüglichen

Wilhelm von Scholz stützt in seinem kleinen inhaltsreichen Werk "Der Zufall und das Schicksal" die Arbeitshypothese der Anziehungskraft des Bezüglichen" auf eine Vielzahl von Beispielen. Große Gruppen von Geschehnissen, und zwar gerade diejenigen, bei denen man am ehesten an Schicksal denken sollte, die sogenannten übersinnlichen Erscheinungen: Vorhersagen, Ahnungen, Hellsehen, Telepathie, Doppelereignisse wurden damals fast nur im Hinblick auf eine seltsame Veranlagung der Erlebenden und ihre mediale, sensitive Begabung als merkwürdige seelische Vorgänge betrachtet. Scholz dagegen richtete auf der Suche nach Erkenntnis des menschlichen Schicksals seine Bemühungen auf sachlich betriebene Untersuchungen anstelle psychologischer Erklärungsversuche.

Ein lustiges Beispiel für Mehrfachdoppelungen:

B 8: In einem Würzburger Entbindungsheim wurden am selben Tage zwei unverheiratete Frauen von je zwei gesunden Töchtern entbunden. Die beiden Mütter kamen in dasselbe Zimmer zu liegen. Als sie sich in freundlichem Gespräch nach dem Vater ihrer Zwillinge erkundigten, stellte sich zum großen Erstaunen heraus, daß es derselbe war. Jede Frau hatte auch dieselbe Fotografie des vierfachen Vaters bei sich, der außerdem noch verheiratet war.

Bei der Bewertung außergewöhnlicher Erlebnisse steht vielfach Skepsis gegen den sich unmittelbar aufdrängenden Eindruck von Bedeutung und Sinn, Beziehung und Anziehung. Zufall als etwas Zu-Fallendes wird oft - von wem auch immer, blind oder absichtlich zugeworfen - zum Geschick.

Der Autor fragt: Ist der Zufall chaotisch-unbestimmt, lassen sich unpersönliche Gesetzmäßigkeiten erkennen, oder handelt es sich um irgendeine auf eine Person rückführbare Absichtlichkeit? Bloßer Zufall oder "merkwürdiger, seltsamer Zufall" können als Spielart und Vorform des Schicksals erscheinen, dem wir alle unterworfen sind, wie oft in großen Dramen dargestellt.

Geht man davon aus, daß der normale Verlauf des Lebens keiner näheren Erklärung bedarf, so stellen doch die entscheidenden, günstigen und unglücklichen Störungen des Normalen, Vorausberechenbaren eine Erklärungsaufgabe dar, wenn man sie nicht als ein bloßes Ungefähr ansehen will.

Die Anziehungskraft des Bezüglichen ist - wie bei Pauli - nicht die einzige Bewegerin unseres verbundenen menschlichen Daseins, sie ist etwas Hinzutretendes zu den großen Naturvorgängen und den verschiedenen Willen. Sie wirkt zwischen ähnlichen, gleichen oder verwandten Bewußtseinsinhalten und läßt sich in Anlehnung an das Erfahrungswissen der Völker auch als Assoziationsgesetz des Geschehens beschreiben. Zur Erklärung der Anziehung genügt dieses umfassende Gesetz, das im gesamten zwischenmenschlichen Geschehen gilt. Von Scholz stellt eine Liste von zehn verschiedenen Kategorien auf:

In eine besondere Kategorie gehört das "Personenwerden" von Sachen: 

"Manche Gegenstände scheinen einen Augenblick zu leben, um im nächsten schon, wenn wir auf sie aufmerksam geworden sind, in ihre starre Sachlichkeit zurückzufallen und stumm, leblos vor uns dazustehen, als hätten sie niemals Leben gehabt und mitgewirkt."

Zum unvorhersehbaren Zusammentreffen von Personen ein eigenes Erlebnis:

B 9: 1968 beherbergten wir in unserer Familie eine tschechische Studentin. Sie war gekommen, um Deutsch zu lernen und half im Haushalt. Nach den Wirren reiste sie zurück in ihre Heimatstadt Brünn, wo sie später einen deutschen Anästhesisten heiratete, der sie mit in die BRD nahm. Im Laufe der Zeit verloren wir den Kontakt zu dem jungen Paar.

Etliche Jahre später weilte ich mit meiner Frau in Hamburg. Eines Tages entschieden wir uns angesichts des schönen Wetters zu einer Hafenrundfahrt. An den Landungsbrücken sahen wir einen schmucken Dampfer, am Kiosk erstanden wir zwei Tickets. Zu unserer Enttäuschung verwies man uns an der Gangway auf ein viel kleineres Boot, das etwas entfernt vor Anker lag. Wir hatten unabsichtlich die falschen Karten gekauft.

Als erste Passagiere setzten wir uns auf eine der Außenbänke und warteten auf die Abfahrt. Weitere Fahrgäste gingen an Bord, und plötzlich erscholl ein Freudenschrei, auf den hin sich alle erstaunt einem jungen Paar zuwandten, das auf uns zustürmte. Es war "unsere Studentin" mit ihrem Mann. Sie hätten zu dieser Stunde als Teilnehmer eines Anästhesisten-Kongresses im Hörsaal sitzen sollen, hatten aber des verlockenden Sonnenscheins wegen eine Hafenrundfahrt vorgezogen. - Bleibt nachzutragen, daß meine Frau zuvor in der Stadt eine Ankündigung des Kongresses gesehen und unwillkürlich an unsere Freunde gedacht hatte.

Scholz: Bei all dem erschweren wir uns durch die offenbar wirklich nur in unserem Geist vorhandene Kategorie der Zeit wahrscheinlich das Verständnis der Zusammenhänge. Ereignisse liegen in der Zeit nicht anders als im Raum. Sie haben eine weite Atmosphäre um sich, die bereits in der Welt wirkt, bevor das Ereignis selbst sichtbar wird.

Während der einfache Zufall eher absichtslos erscheint, beansprucht offenbar das Schicksal einen übergeordneten und umfassenderen Rang. Der Zufall bewirkt dann eine entscheidende Wendung im Sinn von Ergänzen, Vollenden, als Anziehungskraft des Bestimmten, auch wenn etwas zuerst schmerzt, ärgert und verdrießt. Schicksalseinfluß ist nur da anzunehmen, wo

  1. der Zufall einschneidend und entscheidend ist, unvorhergesehen, unberechenbar auftritt und Gelingen, Mißlingen, Glück, Unglück bestimmt,

  2. wenn es sich auf einen bestimmten Träger oder Erleidenden richtet. Der Unterschied liegt im Betrachten, nicht im Geschehen.

Schicksal kann sich an Personen und Sachen knüpfen. Ist es das Eingreifen einer höchsten Macht? Oder der Götter? Ohne den Gottglaubens leugnen zu wollen, lehnt v. Scholz das In-Beziehung-Setzen des Zueinander-Maßstablosen ab, ebenso eine Unwissenschaftlichkeit, die das Unbekannteste leichtfertig und unehrfürchtig in harmlos vermenschlichender Weise darstellt. Letztlich setzen unsere Fragen einen Sinn im Einzelleben voraus. In unserer beschränkten Sicht könnte dieser Sinn in der Vor-Bedingung von Vollendung und Erhaltung liegen, wobei wir Glück als positiven Wert zählen. Von Scholz schreibt in nahezu poetischen Bildern:

Mich hat wohl nie ein Gedanke so bewegt wie die Vorstellung, daß die ganze schwere Wirklichkeit von Erde und Leben vielleicht nichts anderes ist als das Innenleben eines umfassenden Geistes, der für seine körperlosen Vorstellungen halten mag, was uns volle und bittere Realität dünkt. Vielleicht ist die irdische Wirklichkeit lediglich das Vorstellungsleben eines uns unerkennbaren, uns umfassenden Bewußtseins, in dem die Welt vorzugehen scheint als ein Bildergeschehen, das sich nach Gesetzen vollzieht ähnlich wie unser Seelenleben, das unserem Willen auch nicht unterworfen ist. Der alte Gedanke ergreift uns, das Leben sei ein Traum, aber nicht nur ein Traum, den wir träumen, sondern einer, in dem wir geträumt werden.

Die unbewußte Persönlichkeit in uns lebt in einer zwischen allen Menschen atmenden Vieltraumwelt, in welcher der unsichtbare Dämon des einen sich mit denen der anderen Menschen genauso auseinanderzusetzen hat wie der Wachgeist im äußeren Leben. Zwar ist die Traumseele klüger, wissender, erfahrener als der wache Geist, aber (auch) sie ist durchaus an Grenzen gebunden, die sich ans dem Zusammenspiel mit anderen Traumseelen und den Umständen ergeben. Sie kann nicht wie ein Zauberer alles, sie muß gelegentlich Mißlingen hinnehmen.

Es scheint, daß uns viel Erstrebtes eben deswegen mißlingt, weil unser bewußter Verstand die Gegebenheiten, die zu bewältigen sind, nicht genügend erkennt, mit seiner Wachheit aber das instinktsichere Unterbewußtsein stört und lähmt. Wir haben den Trieb, mit unserer Phantasie die Dinge und Begriffe zu verpersönlichen. Zufall kann uns als Kobold, als Rübezahl oder Dämon erscheinen. Haben wir etwa die Natur geschaffen, und wie steht es mit den Gespenstern, Geistern, Göttern bis zur Anschauung eines persönlichen Gottes? Jedenfalls ist es bei den uns hier beschäftigenden Fragen nicht angebracht, einen Gott anzunehmen, der alle Dinge dieses Lebens mit einer Art von menschlichem Verstand und menschlichen Wertungen, Zwecksetzungen einrichtet. Ebensowenig sind wir berechtigt, die entgegengesetzte Grenzmeinung zu vertreten, es gäbe nichts als ein stoffliches, unbeseeltes Geschehen, das lediglich nach mechanischen, physikalischen und chemischen Gesetzen abläuft. Die Ursache jener überraschender, seltsamen, merkwürdigen, sinn- und tückevollen Zufälle und Schicksale liegt zwischen den Grenzmarken verpersönlichter "Mächte" und "Anziehungskraft des Bezüglichen". Oft genug verbinden sich beide in ihrem Spiel zu gemeinsamem Wirken.
        

Arthur Koestler: Koordinierte Ereignisse im psychomagnetischen Feld

Während Wilhelm v. Scholz seine Überlegungen vorwiegend dem Zufall und dem Schicksal widmet, beginnt Arthur Koestler seine Betrachtungen in "Die Wurzeln des Zufalls" (1972) mit der Aussage "die Parapsychologie sei das bedeutendste Forschungsobjekt, das der menschliche Geist jemals in Angriff genommen habe, und das wahrscheinlich im Laufe der Zeit die gesamte intellektuelle Weltanschauung, auf der unsere Zivilisation beruht, verändern könnte". Des weiteren sucht er eine Verknüpfung von Physik und Parapsychologie.

Der Nobelpreisträger Eccles begründete eine Hypothese der Wirkungsweise des "Willens" auf die Hirnrinde. Ihm erschien das Gehirn als Maschine, die ein Gespenst sehr wohl bedienen könnte. Neue Vorstellungen kommen ins Spiel: Parallelwelten und Hyperräume werden diskutiert, die über "Tunnel" erreichbar sein sollten. Das geht heutzutage bis zu Stephen Hawking.

In der modernen Physik ist das solide erscheinende Gefüge von Raum, Zeit, Materie und Kausalität streckenweise zusammengebrochen. Mit der Quantentheorie, die dem Beobachter eine wesentliche Rolle zumißt, und mit Jung-Pauli zieht die Psyche in die Physik ein: "eine kurze Zeit lang kann jeder physikalische Vorgang in einer Weise ablaufen, die den heute bekannten Naturgesetzen widerspricht: die Zeit kann umgekehrt sein, unerwartete Dinge können geschehen." Nach Eddington ist der Stoff der Welt der Stoff des Geistes. Das reale Geschehen ist in einer imaginären Zeit von einer Wolke objektiver Wahrscheinlichkeiten umgeben, welche nicht notwendigerweise eintreten werden, aber trotzdem den Gang der Ereignisse beeinflussen.

Die Laborergebnisse der experimentellen Parapsychologie werden als beabsichtigte Abweichungen stochastischer Prozesse von den wahrscheinlichkeitstheoretischen Erwartungswerten und den Daten unbeeinflußter Systeme gedeutet. Es fragt sich dann, ob dabei ein anderer Faktor als der "Zufall" beteiligt ist. Die Ergebnisse der Parapsychologen könnten die Manifestation eines einheitlichen und gänzlich anderen Prinzips sein.

Kausalität bedeutet Gesetz und Ordnung im sonst chaotisch unvorhersagbaren Universum. Erst im Gefolge von Newton wurde die Kausalität als absolute Herrscherin über Materie und Geist auf einen Thron gehoben, von dem sie zu Beginn des 20. Jhts. gestürzt wurde. Unter der Annahme von Akausalität hängen alle Ereignisse im menschlichen Leben in zwei grundverschiedenen Arten zusammen: erstlich im objektiven, kausalen Naturlauf, zweitens in subjektiven traumhaften Verknüpfungen, die nur in Beziehung auf das sie erlebende Individuum vorhanden sind. Das Leben sei ein großer Traum, den jenes Eine Wesen, der Wille zum Leben, träumt: aber so, daß alle Personen ihn mitträumen. Wie bei den Mystikern greift alles ineinander und paßt zueinander, alles ist Eins und Eins ist Alles.

Telepathie zwischen Traum und Wachen - ein Beispiel:

B 10 Ich befand mich in Südtirol, meine Frau in Mainz. Eines Nachts erwachte ich mit dem Bewußtsein eines bestimmten Satzes, der sich auf sie bezog und notierte ihn mit der Uhrzeit auf einem Zettel. Mehrere Wochen nach meiner Rückkehr hatte ich das Ereignis längst vergessen, als ich die Notiz wiederfand. Ich fragte meine Frau, ob sie sich an ein bestimmtes Ereignis während meiner Abwesenheit erinnern könnte. Sie hatte zur gleichen Zeit an mich gedacht mit exakt dem Satz, den ich ihr zu ihrer Überraschung auf meinem Zettel vorweisen konnte.

In der modernen Anschauung gibt es keine Möglichkeit für eine isolierte, in sich abgeschlossene Existenz, und die Evolution - ein Spiel von Differenzierung und Integration - erscheint als Voranschreiten von der ursprünglichen Einheit über die Vielfalt zu komplexeren Strukturen der Einheit in der Vielfalt. Ständig bauen die lebenden Organismen komplexere Informationsstrukturen auf: Wahrnehmungen, Gedächtnis, Gedanken. Wir beobachten eine Tendenz zu zunehmender Ordnung im Gegensatz zur physikalischen Entropiezunahme.

Ein merkwürdiges historisch verbürgtes Ereignis läßt sich als Zufall deuten oder als weit in die Zukunft reichende Vorschau:

B 11: Eine Schweizerin aus Zürich übernachtete auf der Reise zu einem Treffen mit Goethe im Ort Frauenfeld. Von ihrer Familie getrennt, schrieb sie im Juni 1788 in einem Brief an die Daheimgebliebenen:

"Ich hatte das Verlangen nach einem Paar Maschinen, die sich magnetisch an zwei Orten zugleich bewegen ließen, und mit denen man sich zuschreiben könnte, so daß im gleichen Moment die Maschine in Zürich schreiben würde, was ich mit der in Frauenfeld schrieb, und sodann die Tour an euch käme."

Koestler konzipierte den Begriff des Holons, der von Ken Wilber in die holarchische Struktur der Evolution des alles umfassenden Bewußtseins übernommen wurde. Jedes Holon, jedes Organ, ist zugleich ein untergeordneter Teil und ein sich selbst behauptendes autonomes Ganzes. Auch der einzelne Mensch ist ein janusgesichtiges Holon. Nach außen blickend, sieht er sich als abhängiger Teil mit der Möglichkeit selbsttranszendierender Emotionen. Nach Innen schauend, erfährt er sich als ein sich selbstbehauptendes Ich.

Koestler faßt Kammerers Serialität und die Jung-Paulische Synchronizität als koordinierte Ereignisse zusammen, als pseudokausale Manifestationen einer integrativen Tendenz, ohne Benutzung physikalischer Kräfte. Zur lange fälligen Revision der gegenwärtigen Anschauungen schlägt er vor, daß wir innerhalb eines psycho-magnetischen Feldes leben, das koordinierte Ereignisse durch Methoden bewirkt, die mit den klassischen Denkweisen der Physik nicht erfaßbar sind. Zweck und Wesen dieses Feldes sind uns unbekannt, aber wir fühlen, daß es irgendwie mit jenem Streben nach einer höheren Ordnung und nach der Einheit in der Vielfalt zusammenhängt, das wir in der Evolution des Universums, in der Entwicklung des Lebens auf der Erde, des menschlichen Bewußtseins und in Wissenschaft und Kunst beobachten können.

Ein umfassendes Welträtsel ist leichter zu ertragen als ein Kaleidoskop von ungelösten Rätseln. Dennoch behalten die Phänomene einen zutiefst beunruhigenden Beigeschmack, weil sie selten auftreten und sich unvorhersagbar und launisch zeigen. Wir beherrschen die unbewußten Vorgänge nicht. Spontane Erlebnisse sind stets an eine selbsttranszendierende Emotion gebunden.

Wichtig ist eine Erweiterung dieser Vorstellungen von Charlie Broad (1949):

Wenn paranormale Wahrnehmung und Einflußnahmen Tatsachen sind, dann ist es höchst wahrscheinlich, daß sie sich nicht auf jene recht seltsamen Gelegenheiten beschränken, bei denen sie sporadisch und in dramatischer Weise auftreten oder im Laboratorium experimentell nachgewiesen werden können. Es ist vielmehr durchaus möglich, daß sie ständig im Hintergrund unseres Alltagsdaseins wirken: bei der Sympathie und Antipathie unseren Mitmenschen gegenüber; bei unseren Gefühlen und Stimmungen zu bestimmten Gelegenheiten; bei Gedanken, die plötzlich ohne klar erkennbare Ursache in uns auftauchen; alles das ist möglicherweise durch eine paranormale Wahrnehmung und Einflußnahme bereits mitbestimmt.

Augenscheinlich stehen der paranormalen Information bei der Überschreitung der Bewußtseinsschwelle erhebliche Hindernisse und Verdrängungsmechanismen entgegen. Unsere Sinne sind enge Schlitze, und selbst das, was durchkommt, ist bereits zuviel. Psyche oder Gehirn scheinen eine Sammlung von Selektionsfiltern zu enthalten, die unerwünschte Signale ausblenden sollen, von denen jedoch einige in verzerrter Form durchkommen. Wir können nicht allem gleichzeitig Aufmerksamkeit schenken. Wir sind gegen die Vielfalt des psychomagnetischen Feldes geschützt. Pferde müssen Scheuklappen tragen.
      

Princeton und der 11. 9. 2001

Ich möchte meine Ausführungen durch ein aktuelles Beispiel ergänzen.

Die seit 20 Jahren in Princeton arbeitende Forschungsgruppe PEAR hat während der vergangenen Jahre mehrfach beobachtet, daß stark emotionale Ereignisse mit dem Verhalten von Computern korreliert sein können. In der Fortführung einer ersten "zufälligen" Entdeckung dieses Phänomens hat man inzwischen weltweit 37 Computersysteme installiert, deren Daten über das Internet zusammengeführt und ausgewertet werden. Für den Tag des Angriffs in den USA, also den 11. September 2001 ergab die Auswertung eine signifikante Abweichung vom Normalverlauf. Sie setzte mehrere Stunden vor den tatsächlichen Ereignissen ein, erreichte dabei ihren Höhepunkt und klang im Laufe mehrerer Stunden ab.

Wie auch immer man sie deuten will: Die Beobachtung paßt zu der von mir bereits zitierten Aussage des Wilhelm von Scholz:

Ereignisse haben eine weite Atmosphäre nur sich, die bereits in der Welt wirkt, bevor das Ereignis selbst sichtbar wird.

Damit bestätigt sich der traditionelle Satz: "Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus."
         

Schluß

Ich schließe mit zwei Zitaten. Wilhelm von Scholz schrieb:

In der Betrachtung des Außergewöhnlichen ist uns zumute, als ob wir kurz durch einen sich öffnenden Türspalt das Schicksal gesehen hatten. Wir stehen da, im Verstand nicht klüger als zuvor, aber im Gefühl beunruhigt und gleichermaßen beglückt, daß wir nun die Wirklichkeit von Schicksal ahnen; das sich uns zwar nicht in Person gezeigt, aber doch ein Stück Saum seines Gewandes rasch vor unserem Blick hat vorüberhuschen lassen. Wir glauben zu wissen: es kommt nicht nur in alten Büchern vor, es ist tatsächlich da, es lebt. Das Rätsel wird nicht gelöst, aber ein Stückchen weiter zurückgeschoben.

Arthur Koestler erklärte:

Wir sind von Phänomenen umgeben, deren Existenz wir geflissentlich nicht wahrhaben wollen, oder die wir, wenn sie schon nicht ignoriert werden können, als Aberglauben abtun. Aber nichts verbietet die Annahme einer psychischen Wechselwirkung neben den vier physikalischen Wechselwirkungen, nichts verbietet die Existenz eines psychischen Universums, das aus Vorgängen und Wesenheiten besteht, die miteinander verbunden sind, ihren eigenen Gesetzen gehorchen und das physische Universum durchsetzen.

Die Naturwissenschaften haben uns eine ganze Menge klüger gemacht, aber wir wissen nicht viel mehr darüber, was das alles zu bedeuten hat. Wir könnten den koordinierten Ereignissen, Zufall, Schicksal, Serialität und Synchronizität mehr Aufmerksamkeit schenken und die paranormalen Phänomene in unsere Vorstellung vom Normalen einbauen. Die Begrenzung unserer biologischen Ausstattung verdammt uns vielleicht dazu, nur durch ein Schlüsselloch in die Ewigkeit gucken zu dürfen. Aber wir wollen doch wenigstens die Füllung aus dem Schlüsselloch nehmen, die selbst unseren beschränkten Blick versperrt.

Ich schließe mich meinen "Vorrednern" an und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
             

Literatur zu "Zufall, Schicksal und Paranormale Phänomene":

Charlie D. Broad: in Philosophy, Vol. XXIV, 1949, S. 291-309

Charles Fort: Wilde Talente. Zweitausendeins, Frankfurt 1998

C. G. Jung u. Wolfgang Pauli: Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge. In: Naturerklärung und Psyche, Zürich 1952

Paul Kammerer: Das Gesetz der Serie: Eine Lehre von den Wiederholungen im Lebens- und im Weltgeschehen. Stuttgart/Berlin 1910

Arthur Koestler: Die Wurzeln des Zufalls. Suhrkamp TB 181, 1972

Hans G. Lunckenbein: Zufall, Vorbestimmung, Glück und Pech. In: Morgen - und dann? (8. Kapitel). Sequenz Medien, München 2002

Victor Mansfield: Tao des Zufalls - Philosophie, Physik und Synchronizität. Eugen Diederichs Verlag, München 1998

Wilhelm von Scholz: Der Zufall und das Schicksal. List 133, München 1959

Arthur Schopenhauer: Über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksal des Einzelnen. In: Sämtliche Werke, Bd. 4, Insel, Leipzig o. J.

Theodor Seifert/Angela Seifert: So ein Zufall - Synchronizität und der Sinn von Zufällen. Herder Freiburg 2001

Carmen Thomas: Vom Zauber des Zufalls - Eine Einladung zum Mitmachen. Knaur 82292, München 2000.

 

Die Diskussion            
war, wie immer, lebhaft. Ich habe in Hinblick auf Kammerers Konzept der Serialität darauf hingewiesen, daß ein dialektischer Ansatz - versuchsweise eine Umkehr ins Gegenteil - Licht in die Sache bringt. Kammerer ist von den Häufungen von Ereignissen fasziniert. Das Gegenteil derartiger Anhäufungen wäre eine regelmäßige Verteilung, eine Gleichverteilung. Diese Betrachtung zeigt, daß die "Clusterbildung" das eigentliche Wesen des Zufalls ausmacht! Im übrigen ist es ja ein hohes Maß von Willkürlichkeit, wo man eine derartige "Serie" beginnen und wo sie wieder enden läßt. Auf diesen subjektiven Aspekt, daß das Erkennen von Ereignismustern im Betrachter liegt, hat auch der Referent in seinen Ausführungen, die über das obige Manuskript hinausgegangen sind, mehrfach hingewiesen.
        


                

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