Kurzbericht  über  meinen  eigenen  Vortrag

"Biologie,  Vitalismus
und  die  'goldene  Ära'
der  europäischen  Parapsychologie -

zum  Paradigmenwandel  in  der  Parapsychologie"

                    
    
Mein Vortrag umfaßt im wesentlichen - allerdings hier weiter ausgebaut -, dasselbe, was der Gegenstand meines Papers

"Biology, Vitalism and the 'Golden Era' of Continental European Parapsychology "

für die 44. Jahrestagung der Parapsychological Association (PA) in New York (August 2001) gewesen ist. Dieses Paper ist auch dem European Journal of Parapsychology (EJoP) zur Publikation eingereicht.

Ich nenne jene Epoche die "goldene Ära" der Parapsychologie, in der - wie niemals zuvor und nachher - an einer ganzen Reihe von Universitäten im deutschen Sprachraum Vorlesungen über Parapsychologie gehalten worden sind (verglichen mit dem Nachkriegsdeutschland, wo BENDER in Freiburg i. Br. beinahe allein auf weiter Flur stand).
Es handelt sich also um die Zwanziger- und die frühen Dreißigerjahre, jedoch stehen aufgrund der Umwälzungen in Deutschland seit 1933 die Zwanzigerjahre im Vordergrund, die ich daher auch zunächst mit ein paar Stichworten habe Revue passieren lassen.
In die Zwanzigerjahre fällt übrigens bekanntlich auch die Kopenhagener Interpretation der Quantenphysik, welche insofern Relevanz für die (wissenschaftstheoretische) Diskussion rund um die Parapsychologie besitzt, als hier zum ersten Mal ein contra-intuitives Denken in die Wissenschaft Eingang findet (Welle-Teilchen-Dualismus vs. Aristotelische Logik "tertium non datur"), sodaß ein Präzedenzfall geschaffen ist, der jenen Gegner der Parapsychologie entgegengehalten werden kann, die meinen, die Parapsychologe wegen der Verletzung der traditionellen Kategorien Raum, Zeit und Kausalität verwerfen zu müssen.
Mit der im Jahre 1900 von drei Gelehrten unabhängig voneinander erfolgten Wiederentdeckung der M
ENDEL'schen Gesetze von 1865/66 hat ein gigantischer Aufschwung der Biologie eingesetzt, insbesondere der Entwicklungsmechanik. Ich will offen lassen, ob man die damalige Biologie generell als die Leitwissenschaft dieser Periode ansehen kann oder ob das doch die ebenfalls Großes hervorbringende Physik gewesen ist; Tatsache bleibt hingegen, daß damals unter den führenden Parapsychologen die Vertreter von Lebenswissenschaften (Biologie und Medizin) bei weitem überrepräsentiert waren, während die meisten heutigen Parapsychologen, sofern sie nicht von der Psychologie herkommen, Physiker sind (Helmut SCHMIDT, Bob JAHN, Ed MAY, James SPOTTISWOODE, Walter VON LUCADOU u. a. m). Es lohnt sich daher, einen näheren Blick auf die Biologie jener Epoche zu werfen.
Dem materialistisch-mechanistischen Denken, das von der Majorität der Biologen angewandt wurde, stand damals die doch bedeutende Minorität der vitalistisch denkenden Biologen gegenüber, deren Exponenten Hans D
RIESCH (HAECKEL-Schüler, primär Experimentator, später Lehrstuhl für Philosophie) und Henri BERGSON (Philosoph und Literat) waren, beides übrigens jeweils Präsidenten der Society for Psychical Research, London, eine Ehre, die weiters nur dem Nobelpreisträger Charles RICHET zuteil geworden ist, was Ausländer betrifft, alle anderen Präsidenten (bei damals jährlicher Rotation) waren Briten.
Wenn man die Schlüsse, die D
RIESCH aus seinen Experimenten zur Zell- und Gewebsdifferenzierung (ein Thema, das heute angesichts der Stammzellenforschung erneute Aktualität gewonnen hat) beurteilen will, muß man sich vor Augen halten, daß damals nicht bloß der Aufbau der DNA noch unbekannt war, sondern daß auch der Gedanke der Selbstorganisation von Materie völlig fern lag - daß es noch keinerlei systemtheoretischen Ansatz gab. So kam DRIESCH bzw. kamen die Neovitalisten dazu, ein den Lebensvorgängen zugrundeliegendes immaterielles Prinzip (im Gegensatz zu durchaus materiell vorgestellten Kräften in der älteren Schule eines MESMER oder REICHENBACH) zu postulieren, das DRIESCH unter Rückgriff auf einen aristotelischen Ausdruck als Entelechie bezeichnet.
Auf dieser Basis habe ich die Nähe der vitalistischen Vorstellungen von der Organisation der Lebewesen zum parapsychologischen Modell der "goldenen Ära" aufgezeigt, in dessen Zentrum die Begriffe Ideoplastie und Telekinese stehen: wie sich die Entelechie in der Ontogenese der Individuen manifestiert, so manifestiert sich eine Idee plastisch in der Organisation von körpereigener Materie außerhalb der Körpergrenzen (Ektoplasma
), zielgerichtet (teleologisch), um im Experiment Effekte der Fernbewegung (Telekinese ) zu erzielen, etwa in Form der "rigiden Strahlen" (OCHOROWICZ) oder von Pseudopodien, die nachher wieder resorbiert werden.
Dabei habe ich Thomas M
ANNs Schilderung einer Sitzung bei SCHRENCK-NOTZING ausführlich nacherzählt: die berühmte "dreifingerige Hand", welche das Taschentuch vom Boden erhoben hat; Elemente dieser Erfahrung hat er bekanntlich auch in der Darstellung einer Séance in seinem "Zauberberg" verwendet).
Insbesondere die apparative Dokumentation von damit im Zusammenhang stehenden Effekten durch Eugène & Marcel O
STY vom Institut Métapsychique International, Paris, bei Experimenten mit dem Medium Rudi SCHNEIDER macht das Paradigma der "goldenen Ära" bis heute bedeutsam; es ist dabei auch ausdrücklich festzuhalten, daß die OSTY'schen Resultate niemals ernstlich in Zweifel gezogen worden sind, weshalb das pauschale Verwerfen der damaligen Epoche, wie es nach dem Krieg von Pascual JORDAN und neuerdings von Andreas HERGOVICH gehandhabt worden ist, nicht akzeptiert werden kann.
(Am IMI ist festgestellt worden, daß eine Kraft/Substanz, die vom Körper des Mediums ausgeht, einen infraroten Lichtstrahl teilweise absorbiert, wobei der Grad der Absorption oszilliert, und zwar in Abhängigkeit von einem somatischen Parameter, der Atemfrequenz der Mediums, die bei Rudi S
CHNEIDER während seiner Trance - eine Eigentümlichkeit der Brüder SCHNEIDER - gigantisch erhöht war [Hyperpnoë], bis zu 240 Atemzügen pro Minute.)
Dieses Paradigma der "goldenen Ära" ist dann nach dem Krieg mehrheitlich zugunsten des R
HINE'schen Paradigmas eines direkten mentalen Einflusses ("mind over matter") verlassen worden (welches seinerseits heute deutlich abgebröckelt ist), womit auch ein terminologischer Wechsel (von der Tele- zur Psychokinese) verbunden ist.
Die Ursachen für diesen Paradigmenwandel sehe ich nur zum Teil systemimmanent, zum anderen Teil Zeitgeist-bedingt, insbesondere aufgrund der Nähe der NS-Ideologie zum Biologismus, was sich schon - aber keineswegs ausschließlich - mit einer Reihe von Schlagworten aus der NS-Zeit verdeutlichen läßt).
Die wissenschaftstheoretischen Überlegungen zu dieser Epoche fokussieren auf die Medien als Sonderbegabungen (wie wir solche auch in anderen Bereichen kennen, z. B. Menschen ungewöhnlicher Kreativität [etwa M
OZART, den Manfred EIGEN schlicht als "ein Wunder" apostrophiert] oder den bekannten Rechengenies, z. B. Wim KLEIN, der ab 1958 am CERN "als Computer" angestellt gewesen ist und von dem ich szt. eine Demonstration am Physikalischen Institut der Univ. Wien gesehen habe). Weiters geht es um das Verhältnis der idiographischen (einzelbeschreibenden) gegenüber den nomothetischen (gesetzaufstellenden) Wissenschaften, sowie um das Problem singulärer Erfahrung überhaupt, das sich auch in anderen Bereichen, etwa paläontologischen Funden, auftut. Bei all diesen Betrachtungen stellt die Parapsychologie - gleich welchen Lagers - keineswegs ein disparates Element im Chor der Wissenschaften dar.

 Hier steht auch die den Vortrag begleitende Präsentation zur Verfügung:

Zum Öffnen oder Downloaden auf das Icon klicken!
Vorsicht, großes File (13 MB), da viele Bilder integriert -
entsprechend lange Ladezeit!

Die Diskussion            
hat sich vor allem auf das Problem konzentriert, daß manche Phänomene in der Vergangenheit häufig und in der Gegenwart selten oder gar nicht mehr auftreten, und wie weit einen das nicht hinsichtlich der Echtheit der betreffenden Phänomene skeptisch machen sollte.  Unser Ehrenpräsident, Hellmut HOFMANN, hat auf die "Epidemie" des Besteckbiegens nach dem Auftreten von Uri GELLER in Mitteleuropa (1974) hingewiesen, die dann - wie es Moden so an sich haben - bald wieder abgeflaut ist, und unser Präsident, Manfred KREMSER, hat aus dem Erfahrungsbereich der Ethnologie von Situationen berichtet, daß ein bestimmtes Phänomen (z. B. Glossolalie) irgendwo zunächst vereinzelt auftritt, in Kürze jedoch massenweise, und dann wieder so schnell, wie es gekommen ist, verschwindet. In beiden Fällen sind das Fluktuationen, die sich in relativ kurzen, d. h. von einem Individuum überschaubaren Zeiträumen abspielen. Aber grundsätzlich sind die historischen Fälle der Parapsychologie ganz analog zu beurteilen und man kann aus ihrem scheinbaren Verschwinden nicht notwendigerweise auf ihre trickhafte Herbeiführung schließen..


                

[Zurück zum Seitenanfang] [Zurück zum Vortragsprogramm] [Zurück zum Inhaltsverzeichnis] [Home]