Kurzbericht über den Vortrag
von Alfons Steiner

"Exorzismus und 'Besessenheit'"

 

Der Hauptgegenstand des Referats war eine Gegenüberstellung des Falles der Gottliebin Dittus des Pfarrers Blumhardt aus dem 19. Jahrhundert mit dem Fall der Anneliese Michel aus Klingenberg in den 70–er Jahren unseres Jahrhunderts, je ein Fall im protestantischen Milieu und einer im katholischen, wobei auf den Exorzismus gemäß dem Rituale Romanum (1) näher eingegangen wurde. Der tragische Fall der Anneliese Michel wurde im wesentlichen nach dem diesbezüglichen Buch von Felicitas Goodman referiert. Auf die gerichtliche Verurteilung der Eltern sowie der beteiligten Exorzisten Alt und Renz wurde hingewiesen. Weiters wurden Aussagen der katholischen Autoren Rodewijk (2) und Petersdorff sowie des verstorbenen Zürcher Psychiaters Hans Naegeli–Osjord ebenso kritisch reflektiert wie die Interpretation des spiritistischen "Jenseitskontakts" bei Wickland als eine temporäre Besessenheit. Hinweise auf weitere phänomenologische Differenzierungen, die vor allem im katholischen Bereich üblich sind, nämlich Circumsessio und Infestatio, haben die Ausführungen abgerundet, wobei sich der Referent zwar einerseits einer abschließenden zusammenfassenden Interpretation enthalten hat, aber andrerseits doch deutlich gemacht hat, daß er der "animistischen" Variante zuneigt.

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1) Allerdings das "alte" RR. Auf das "neue" vom November 1998 (und die Fortschreibung der damit verbundenen Problematik) ist nicht eingegangen worden.

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2) Die Darstellung dieses Exorzisten über den bekannten (im Vortrag nicht näher ausgeführten) "Fall Magda" ist lückenhaft, einseitig und damit irreführend.

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Diskussion :

Im Rahmen der Diskussion habe ich auf die MPD [Multiple Personality Disorder] (bzw. jetzt MPS [Multiple Personality Syndroma]) hingewiesen, sowie insbesondere auf Flournoy's klassischen Fall der "Hélène Smith ", bei deren Planeten– und 'Ultraplaneten'-zyklen es nicht schwer fällt, Occam's Rasiermesser anzusetzen, ferner auf psychoanalytische Gesichtspunkte, nämlich einerseits die psychoanalytische Interpretation der Glossolalie und andrerseits die Anwendbarkeit psychoanalytischer Aspekte auf die bekannte Tatsache, daß Personen wie die Anneliese Michel, die in einem streng christlichen, wenn nicht bigotten Umfeld leben und aufgewachsen sind, in den als "Besessenheit" bezeichneten Zuständen Haß und Abscheu gegen alles Religiöse zeigen.

Ferner habe ich, was den praktischen Umgang mit Fällen von "Besessenheit" udgl. betrifft, an Benders treffendes Wort vom Teufelskreis der Besessenheit erinnert, welches die Gefahren eines ausschließlichen Umgangs in selbstreferentiellen Zirkeln kennzeichnet (wie sich solche gerade deutlich in anderen Zusammenhängen, nämlich bei den Millenniumsgläubigen & Endzeitaposteln [Schlagwort: Tollmann] konstituieren) und dabei eindringlich auf die Wichtigkeit der Psychohygiene hingewiesen.

Unser Präsident, Manfred Kremser, hat abschließend
von seinem Fach, der Ethnologie ausgehend noch einen anderen, interessanten Gesichtspunkt eingebracht, nämlich, daß bei globaler Perspektive die "dämonische Besessenheit" (wie bei der Gottliebin oder im Rituale Romanum) in der Minorität ist, während hingegen die Mehrzahl aller Fälle von "Besessenheit" in pantheistischen (früher "animistischen") Religionen vorkommt, wo sich erstens die betreffende Person freiwillig dem Einfluß des "von ihr Besitz ergreifenden Geistes" ausliefert (wobei die Natur desselben noch extra zu diskutieren wäre) und zweitens dies im Kontext einer bestimmten gesellschaftlichen Relevanz häufig Orakel oder Heilungsritual geschieht.


 
"Außer Programm"  habe ich zum Ende unseres Vortragsabends ein paar Worte des Gedenkens für den am 10. März im 91. Lebensjahr verstorbenen amerikanischen Parapsychologen   Jule Eisenbud   gesprochen, der vor allem durch seine Experimente mit Ted Serios   ("Psychophotos") bekannt geworden ist, aber auch mit W. H. C. Tenhaeff  in "transatlantischen Platzexperimenten" (3)  kooperiert und sich darüber hinaus durch eine Anzahl weiterer Beiträge zur Parapsychologie verdient gemacht hat.      

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3) Die spätere Kritik von P. H. Houbens  trifft Tenhaeff, nicht Eisenbud.

                


                

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