Kurzbericht über den Vortrag
von Gerhard Kubik


"Mahamba  -

Konzeptualisierung
transzendenter  Kräfte
im  Ostangola - Kulturraum
"

 

Vorbemerkung :

Das Paranormale und das Transzendente sind nicht bzw. nicht notwendigerweise dasselbe, dennoch scheint es notwendig, zu hinterfragen, ob diese beiden Gegenstandsbereiche nicht in einer engeren Beziehung zueinander stehen als andere.

Jede Forschergeneration, jedes gerade vorherrschende Paradigma hat nämlich diese Beziehung anklingen lassen: war es in der Zeit ab der Mitte des vergangenen Jahrhunderts der Spiritismus - eine der historischen Quellen der Parapsychologie, wovon sich diese aber längst emanzipiert hat -, der einen Bezug zwischen den paranormalen Phänomenen und der Transzendenz im Sinne des Reiches der Jenseitigen, der Verstorbenen, postuliert hat, so war es in der Zwanzigerjahren der Neovitalismus, der Élan vital eines Bergson, der Fremde Gast eines Maeterlinck, die Entelechie eines Driesch, worin sich der Bezug zwischen den die materielle Welt transzendierenden  Bildekräften des Organischen und dem Paranormalen abgebildet hat, während in unserer Zeit die Quantenphysik an diese Stelle getreten ist, im Bewußtsein weitester Kreise zumindest durch Koestlers Darstellung. (1)

In diesem Sinne ist es aufregend, zu schauen, wie die Menschen eines ganz anderen Kulturraums transzendente Kräfte auffassen, welche Konzepte sie dafür entwickeln und ob bzw. in welcher Weise solche Phänomene, die wir als paranormal bezeichnen, rezipiert und reflektiert werden. Gerhard Kubik hat den Menschen dieses Kulturraums beredt seine Stimme geliehen:

 

Mahamba

                          (pl., sing.: Lihamba) ist ein kaum zu übersetzender Begriff.  Es handelt sich dabei um eine Vorstellung, die mit dem Weiterleben nach dem Tode zusammenhängt, jedoch weder individuell verstanden wird noch notwendigerweise erfolgt. Der Tod des Menschen bedeutet den Zerfall in Komponenten - eine ist der Leichnam, eine andere eine solche, die bloß durch das Gedenken der Überlebenden weiter erhalten wird (sodaß bedeutende Persönlichkeiten, an die man sich länger erinnert, länger "überleben" als unbedeutende Menschen); u.U. kann es daraus zur Bildung von Mahamba kommen, deren es sechs grundlegende gibt. Es handelt sich dabei geradezu um Typen, z.B. den der jung verstorbenen Frau. Menschen, deren Schicksal es gewesen ist, frühzeitig, vorzeitig zu sterben (2), stellen die meisten dieser Typen (3).

Die Mahamba können nun für Erkrankungen der Überlebenden verantwortlich sein, die Diagnose wird von einem Divinator gestellt. Initiationsriten bedeuten gleichzeitig besonders gefährdete Zeiträume.   Bannpflöcke (spezifisch für unterschiedliche Mahamba) wehren den Einfluß der Mahamba von den Menschen ab.

Festzuhalten ist, daß die Konzepte der Menschen dieses Kulturraums - der in der beschriebenen Form nicht mehr existiert und den der Referent seit 25 Jahren erforscht hat - gewisse Formen nachtodlicher Existenz beinhalten, die sich aber mit den uns vertrauten, seit der klassischen Antike bzw. durch das Christentum tradierten nicht decken und daher schwer übersetzbar sind. Recht eindeutig ist jedoch, daß es sich keineswegs um "jenseitige Orte" handelt, sondern eher um Zustandsformen. Es gibt in dem besprochenen Kulturraum keinen Begriff, der unserem "Himmel" äquivalent wäre (4).

Die Diapositive, die auch einen Eindruck der Landschaft vermittelt haben, haben ein anschauliches Bild der materialen Komponente des Mahamba-Konzepts zu vermitteln vermocht.

           

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1)  Auch die folgende Formulierung Tenhaeffs stellt eine Korrelation von Paranormalem und Transzendentem dar,wenn er sagt, daß dem Pragnosten (in freilich bloß fragmentarischer Weise) Eigenschaften zukommen,die von der dogmatischen Theologie nur der Gottheit zugesprochen werden: demnach entspricht dem (räumlichen) Hellsehen (das nach Tenhaeff  die Erweiterung unserer Anwesenheit oder Gegenwart im Raum darstellt) bei Extrapolation ins Unendliche die Allgegenwart Gottes, und analog entspricht der AASE die göttliche Allwissenheit.

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2) Da drängt sich - wie ich auch in der Diskussion bemerkt habe - die Assoziation mit Reinkarnationsberichten auf, wo ebenfalls das Individuum der "vorhergehenden Inkarnation" sein Leben irgendwie vorzeitig hat beenden müssen; vgl. die Fälle von Ian Stevenson, von Antonia Mills, von Erlendur Haraldsson & Karlis Osis in Indien und die von Jürgen Keil bei den Aleviten in der Türkei (transkulturell konstantes pattern).

Der Referent hat daraufhin auf eine zugrundeliegende transkulturell invariate psychische Konstanz hingewiesen; insofern erfahren Forschungsresultate der Ethnologie und der Parapsychologie eine wechselseitige Bestätigung.

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3)  Hier bietet sich - wie ich auch erwähnt habe - die Assoziation zu den Zar-Geistern an, welche ebenfalls nicht Individuen, sondern Typen darstellen und sich in den Trance- bzw. Besessenheitszeremonien durch die Zarbraut äußern (insbesondere Ägypten).

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4)  Die Idee eines "Ortes" der Jenseitigen, etwa Oberlins "Bleibstätten der Toten", ist in unserem, dem christlichen, Kulturkreis bloß historisch und heute auch theologisch obsolet. Interessant ist, daß in der spiritistischen Tradition die Auffassung von einem Jenseits als einem Zustand (und nicht einem Ort) viel älter ist als der sehr rezente Durchbruch in der christlichen bzw. katholischen Theologie; bereits du Prel bezeichnet vor mehr als hundert Jahren das "Jenseits" als "das anders angeschaute Diesseits".

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